Dr. Klausener vor 50 Jahren in Maria Regina Martyrum beigesetzt

Dr. Klausener vor 50 Jahren in Maria Regina Martyrum beigesetzt

Dr. Klausener vor 50 Jahren in Maria Regina Martyrum beigesetzt

# Blutzeugen Texte

Dr. Klausener vor 50 Jahren in Maria Regina Martyrum beigesetzt

Dunkle Wolken hingen am Abend des 4. Mai 1963 über der geteilten Stadt. Es goss in Strömen. Ein kräftiges Tiefdruckgebiet öffnete seine Schleusen über die etwa 1.500 Katholiken aus dem Westteil Berlins, die sich zur Übertragung der Urne von Dr. Erich Klausener auf dem Platz vor dem Eingang Hüttigpfad unweit des ehemaligen Hinrichtungsschuppens Plötzensee versammelt hatten. Manche von ihnen erinnerten sich noch persönlich an Dr. Klauseners zündendes Schlusswort auf der Rennbahn Hoppegarten 1934. Nun zogen sie schweigend über den Heckerdamm zur nahen Gedenkkirche Maria Regina Martyrum in Charlottenburg-Nord. Sie wurde am 5. Mai 1963 feierlich konsekriert. Hinter dem großen Kreuz, das sonst beim Bußgang in der Fastenzeit durch West-Berliner Straßen getragen wurde, gaben sie den sterblichen Überresten des ermordeten Vorsitzenden der Katholischen Aktion das letzte Geleit. An der Spitze des schweigenden Zuges gingen Erzbischof Dr. Alfred Bengsch, die Witwe Hedwig Klausener und ihr Sohn Erich, Msgr. Klausener.

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Als Weihbischof Deitmer nach dem 67. Deutschen Katholikentag in Magdeburg 1928 anfragen ließ, ob Dr. Klausener die neue Aufgabe eines Vorsitzenden der Katholischen Aktion Berlin (KA) übernehme, sagte der Ministerialdirektor im preußischen Innenministerium nach kurzer Bedenkzeit zu. Der geborene Düsseldorfer hatte als Offizier am Ersten Weltkrieg teilgenommen, war danach Verwaltungsjurist auf mehreren Positionen im Rheinland tätig. 1926 kam er in die Reichshauptstadt und wohnte im Pfarrgebiet der Schöneberger St. Matthias- Gemeinde. Der Aufgabenkatalog der KA war vielfältig. Es galt, alle Aktivitäten der Vereine und Standesorganisationen zu koordinieren und zu bündeln. Klausener war als geborener Organisator dafür der richtige Mann. Auf der Kundgebung im Saalbau Friedrichshain im November 1928 umriss er das Programm der KA so: "Es ist Zeit, dass wir wieder stolz werden auf unseren Glauben, dass wir wieder beginnen, Optimisten zu sein! ( ... ) Dem Glauben des Nationalismus und Kommunismus setzen wir die Glaubenstat der Katholischen Aktion entgegen."

Katholische Aktion darf keine Sonntags-Angelegenheit sein

"Kundgebungen sind die Visitenkarte, die die Berliner Katholiken an die Öffentlichkeit abgeben", erklärte Klausener. Es fehlte nicht an kritischen Stimmen. Es gab Pfarrer, die in alledem die Gefahr religiöser Veräußerlichung sahen. Natürlich war es ein Wagnis, den designierten ersten Bischof von Berlin, Christian Schreiber 1929 ausgerechnet im Sportpalast, dem Ort lärmender Sport- und Unterhaltungsveranstaltungen, festlich zu begrüßen. Aber es kamen 12.000 Katholiken. Sie erfuhren in dieser Feierstunde, musikalisch umrahmt vom Berliner Philharmonischen Orchester, etwas von der stärkenden Gemeinschaft des Glaubens inmitten der Diaspora. Klausener meinte: "Wissen Sie, Katholische Aktion muss, wenn sie Sinn und Zweck haben soll, mitten im Leben stehen. Sie darf keine Sonntags-Angelegenheit, kein Feiertagsrock sein. Sie muss den katholischen Christen immer erfüllen, immer erwärmen. Sie darf kein ,Allerheiligen', sie muss ein ,Allerseelen' sein. Sie wendet sich nicht an die Klageweiber ob der sündigen Welt, nicht an die ,Gerechten, die der Buße nicht bedürfen', sondern an den Alltagsmenschen mit seinen Fehlern und Schwächen; nicht mit frommen Sprüchen und gelehrten Predigten, sondern mit dem Klang weltberühmter Orchester, mit dem imponierenden Eindruck von Massenkundgebungen mitten im Herzen der brandenden Weltstadt". Klausener hatte im preußischen Innenministerium mit der Polizeiabteilung eine Schlüsselposition inne. Der Zentrumspolitiker lehnte linke und rechte Gewalt entschieden ab, sowohl den kommunistischen Rotfront Kämpferbund als auch die braunen SA-Gruppen. Ein Höhepunkt der gewalttätigen Auseinandersetzungen war der "Blutmai" am 1.-3. Mai 1929. Die Straßenkämpfe in den Arbeitervierteln am Hermannplatz und in der Kösliner Straße, am Gartenplatz und am Sennefelder Platz wurden zur blutigen Kraftprobe zwischen Kommunisten und der Berliner Polizei. Im März 1930 besaß der Reichstag keine stabile parlamentarische Mehrheit mehr. Die jahrelange "Weimarer Koalition", bestehend aus SPD, Zentrum/Bayerischer Volkspartei (BVP) und linksliberaler Deutscher Demokratischer Partei (DDP), war auseinander gebrochen. Es begann die Zeit der Notverordnungen mit dem Artikel 48. Reichspräsident von Hindenburg berief und entließ die Kanzler. Um das Dilemma zu beenden, hoffte Kanzler Brüning auf die Neuwahl im September 1932. Aber sie brachte eine bestürzende Katastrophe für die Demokratie. Die bisherige Splitterpartei NSDAP wuchs von zwölf auf 107 Mandate und wurde zweitstärkste Partei. Nachdem Hindenburg seinem Kanzler ,,100 Meter vor dem Ziel" brüsk das Vertrauen entzog, begann das deutsche Verhängnis Papen. Der 20. Juli 1932 ging als "Preußenschlag" in die Geschichtsbücher ein. Papen setzte die geschäftsführende Regierung des Freistaates Preußen ab, da ihm "die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Preußen nicht mehr gewährleistet erscheine". [singlepic id=121 w=320 h=240 float=none]   Die Kanzlerschaft Hitlers am 30. Januar 1933 weckte bei Klausener, ebenso wie bei vielen anderen Zentrumspolitikern, ambivalente Reaktionen. Einerseits lehnten sie die braune Rasse-Blut-und-Boden-Ideologie mit ihrer antichristlichen Komponente entschieden ab. Andererseits weckten die Verheißungen eines nationalen Wiederaufstiegs, der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit, gegen den atheistischen Bolschewismus und die öffentliche Unsittlichkeit gewisse Sympathien für die neue "gottgegebene" Obrigkeit. Wie Klausener dachte zunächst auch sein früherer Pfarrer Graf von Galen. Schon am 13. Februar 1933 wurde Klausener von den neuen Machthabern auf die Schifffahrtsabteilung im Verkehrsministerium abgeschoben. Trotzdem versuchte er, als Beamter loyal zu bleiben. Das bedeutete Schweigen zu massenhaften Verhaftungen nach dem Reichstagsbrand und zur Notverordnung vom 28. Februar, mit der der Weimarer Rechtsstaat außer Kraft gesetzt wurde, zum reichsweit organisierten Judenboykott und zur Bücherverbrennung, zum Ermächtigungsgesetz und zum umstrittenen Reichskonkordat. Gestapo-Spitzel berichteten wachsam über die öffentlichen Auftritte des katholischen Laienführers. 14.000 Katholiken applaudierten ihm am 14. Februar 1934 im Sportpalast bei der Begrüßungsfeier des neuen Berliner Bischofs Nikolaus Bares. Noch im Mai/Juni 1934 zeichnete ein "Lagebericht des Chefs des Sicherheitsamtes des Reichsführers SS" mit dem Vermerk "Geheim" in einer seitenlangen Analyse das Feindbild der KA. Darin hieß es u. a., auf diese Weise solle "das Verbot politischer Betätigung der Geistlichen umgangen bzw. ausgeglichen werden". Am 24. Juni 1934 strömten rund 60.000 Gläubige zum 32. Märkischen Katholikentag auf die Rennbahn Hoppegarten. Der Ort am östlichen Stadtrand musste das Grunewald-Stadion ersetzen, das für die Olympischen Sommerspiele 1936 umgebaut wurde. Klausener sprach hier spontan ein zündendes Schlusswort.

Ehrender Nachruf im "Osservatore Romano"

Am 30. Juni fielen im Zusammenhang mit dem "Röhm-Putsch" die tödlichen Schüsse auf Dr. Klausener. Göring hatte ihm seine SA-Feindlichkeit nicht vergessen und den Namen Klausener auf die Mordliste gesetzt. Außerdem hatte erst der jüngste Geheimbericht der SS die Gefährlichkeit der KA bestätigt. Der offiziellen Version eines Selbstmordes widersprachen Bischof Bares und alle, die Klausener kannten. Sogar der "Osservatore Romano" brachte einen ehrenden Nachruf. Die deutschen Zeitungen druckten dagegen die Propaganda-Darstellungen ab. Als Beschwichtigung für die deutsche bürgerliche Öffentlichkeit wirkte auch das Anerkennungsschreiben vom Reichspräsidenten Hindenburg für Hitlers Mordaktion. Frau Klausener erhielt am 3. Juli 1934 brieflich die Mitteilung, dass die Leiche ihres Mannes eingeäschert wurde. Öffentliche Gedenkfeiern für Dr. Klausener fanden wegen des Drucks aus Regierungskreisen nicht statt. Der Bischof hielt das Requiem statt in der Hedwigs Kathedrale in seiner Hauskapelle. Am 7. Juli 1934 wurde Klauseners Asche auf dem St. Matthias-Friedhof in Mariendorf in Anwesenheit von Bischof und Domkapitel beigesetzt. Die kleine Trauerversammlung konnte nicht ahnen, dass 29 Jahre später der erste Blutzeuge des Bistums Berlin in der Krypta der Gedenkkirche Maria Regina Martyrum seine endgültige letzte Ruhe finden werde.

Wolfgang Knauft

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Gedenkkirche
Maria Regina Martyrum

Heckerdamm 230, 13627 Berlin | gedenkkirche@erzbistumberlin.de

Offene Kirche: Täglich 08-18 Uhr