Erinnerung an P. Hans-Georg Lachmund

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Erinnerung an P. Hans-Georg Lachmund

"Tun, was uns eint."

Erinnerungen an P. Hans-Georg Lachmund SJ geboren am 28. Juni 1933 in Mittenwalde (Glatz) in die Gesellschaft Jesu eingetreten am 21. April 1952 zum Priester geweiht am 27. August 1963 in Maria Regina Martyrum Seelsorger an der Gedenkkirche von 1994 - 2005 gestorben am 19. August 2005 im Peter-Faber-Kolleg, Berlin-Kladow   "Ich fragte ihn einmal, in welcher Intention, mit welcher Zielvorgabe er sich zunehmend der Frage des Widerstandes verpflichtet fühlte und erhielt die einfache und zugleich überzeugende Antwort: mir geht es wie den Schwestern darum, die Leute von heute, vor allem junge Menschern daran zu erinnern, welches Leid Menschen unseres Volkes anderen Völkern angetan haben. Und: dass wir daraus lernen können, um Vergebung zu bitten, gemeinsam aufzuräumen und neu zu beginnen.“

P. Klaus Mertes SJ

 

Predigt beim Requiem für P. Lachmund

von P. Werner Herbeck SJ 

Mitbrüder haben mich gebeten, das Leben von Hans-Georg Lachmund zu würdigen. Ich tue es gern. Wir waren über Jahrzehnte befreundet, kannten uns aus dem Noviziat des Ordens 1952. Viele Jahre lebten wir gemeinsam in Ordenskommunitäten, in Darmstadt und im Ignatiushaus in Berlin. Schon in den Studienjahren zeigten sich seine vielfältigen Begabungen: die philosophischen und theologischen Studien -alle Studien wurden in der lateinischen Sprache bewältigt - überstand er ohne Schwierigkeiten. Er hatte besonders gute Beziehungen zu ausländischen Mitbrüdern, war neugierig, deren heimatliche Umwelt kennen zu lernen. Sehr früh schätzte ich an ihm einen Zug ins Kosmopolitische, das Interesse für verschiedene Kulturen. Es war nicht zufällig, dass ihn die Oberen am Ende des Studiums in das Tertiat nach Spanien schickten: dort fand er sein persönliches Verhältnis zu Ignatius, dem Mann aus Spanien. In den späteren Jahren der apostolischen Tätigkeit verfocht er intensiv die Inkulturation des Evangeliums in die unterschiedlichen Kulturen. Ihm war aber auch bewusst, wie schwer es Ausländer bei uns, Flüchtlinge zumal, hatten, sich mit unseren Lebensverhältnissen vertraut zu machen. Bischof Bengsch erkannte seine Begabung für seinen vorurteilsfreien Umgang mit Christen und Nichtchristen aus dem Ausland und ernannte ihn zu seinem Vertreter in der Ausländerseelsorge, also in der Sorge um die ausländischen Gemeinden und deren Leitungsorgane (1974). H.G.L. war vielseitig begabt. Wenn man seine verschiedenen Lebenssituationen und pastoralen Einsätze bedenkt, wird das deutlich. Er machte sich durchaus zu Eigen, was Ignatius seinen Gefährten auf den Lebensweg gab: unsere Aufgabe wird sein, uns einzubringen an verschiedenen Orten, in verschiedenen Lebenssituationen der Menschen, mit denen wir leben. um das Evangelium zu verkünden. H.G.L. lebte nach dieser Devise, zumal sie seinem Naturell entsprach. Er kam aus einer schlesischen Lehrerfamilie. Beide Eltern waren Lehrer, sein jüngerer Bruder war begeisterter Jugendseelsorger in Hildesheim, starb allerdings schon sehr früh. Lachmund fand in der Familie seine Liebe zur Musik, die ihn dazu anregte, das gute Orgelspiel zu erlernen .Das machte ihn zu einem interessanten Gesprächspartner für Organisten in den zwei Gemeinden, in denen er tätig war: St. Canisius in Charlottenburg und Maria Regina Martyrum Sein Elternhaus war von der Profession des Lehrers, des Lehrenden geprägt. Deshalb kamen die Oberen im Ordens regelmäßig zu der Entscheidung, ihm Aufgaben in dieser Richtung zu übertragen: er war Religionslehrer in einer katholischen Schule in dieser Stadt Er wurde 1985 Rektor des Aloisiuskollegs in Godesberg und baute eine beachtliche Schulkirche. Offensichtlich war sein Umgang mit den Katholiken in dieser Schule, mit den Lehrern und in dem angeschlossenen Internat so positiv, dass man ihn -angereichert durch diese Erfahrungen - als Rektor ins Canisius-Kolleg Berlin destinierte(1990-1994). Damit entsprach P. Lachmund einem Uranliegen des heiligen Ignatius: sich um die Jugend zu bemühen. Ihm ging es darum, zusammen mit Pädagogen und Erziehern Jugendlichen die Überzeugung zu vermitteln, dass es sich lohne, aufrecht und solidarisch mit anderen und nicht auf Kosten anderer zu leben. Er blieb bis zu seinem Tod ein besonders interessierter Freund dieser Schule, in der ihm neue Perspektiven vermittelt wurden. Nach der politischen Wende in Deutschland 1989 ging Hans Georg mit Männern und Frauen aus der Leitung der Aktion 365 und des Berliner Canisius Kollegs daran, Kontakte zu jungen Katholiken in Polen und in der Tschechoslowakei herzustellen. Man baute Patenschaften auf, wie man es früher mit Schulen in Großbritannien und Frankreich getan hatte. Diese Patenschaften mit jungen Leuten aus den mitteleuropäischen Ländern standen unter dem Leitwort: Versöhnung. Lachmund war glaubwürdig, weil er selbst mit seiner Familie 1946 aus Schlesien vertrieben wurde und sich sehr früh die Denkschrift der evangelischen Kirche und das Wort der deutschen Bischofskonferenz sowie die Denkschrift des Bensberger Kreises zur Versöhnung mit Polen zu eigen gemacht hatte. Aus der gleichen Intention heraus fand er vor und nach der Wende eine intensive Beziehung zum Ort Kreisau und dessen Pfarrer. Jener Ort, an dem sich Jahrzehnte davor Männer des Widerstandes gegen die Nationalsozialisten zusammen gefunden hatten, um die Struktur eines Nachkriegsdeutschlands zu entwerfen. Viele zahlten nach dem 20. Juli 1944 mit ihrem Leben. Dieses Thema ließ H.G.L. nicht mehr los. So war es wohl nicht eine Laune des Zufalls sondern eine gnadenreiche Inspiration, dass er 1995 von der Leitung des Canisius Kollegs in das Rektorat der deutschen Kirche Maria Regina Martyrum in der Nähe der Gedenkstätte Plötzensee überwechselte, die seelsorgliche Betreuung der Lokalie übernahm und die Klostergemeinschaft der Karmelitinnen täglich im Gottesdienst begleitete. Ich fragte ihn einmal, in welcher Intention, mit welcher Zielvorgabe er sich zunehmend der Frage des Widerstandes verpflichtet fühlte und erhielt die einfache und zugleich überzeugende Antwort: mir geht es wie den Schwestern darum, die Leute von heute, vor allem junge Menschen daran zu erinnern, welches Leid Menschen unseres Volkes anderen Völkern angetan haben. Und: dass wir daraus lernen können, um Vergebung zu bitten, gemeinsam aufzuräumen und neu zu beginnen. Seine angeborenen didaktischen Fähigkeiten kamen ihm zugute, wenn er Touristen die Kirche Regina Martyrum und den Kreuzweg im Hof lebendig erklärte. Besonders der Plötzenseer Totentanz vom österreichischen Künstler Alfred Hrdlicka in der evangelischen Nachbargemeinde hatte es ihm angetan. In vielen Gottesdiensten hatte er im Angesicht dieser schmerzhaften großen Bilder gepredigt und Versöhnungsgottesdienste mit dem befreundeten evangelischen Kollegen gehalten. Ich möchte nicht unerwähnt lassen, dass sich unser verstorbener Freund in freundschaftlichem Kontakt zu manchen christlichen Künstlern unserer Zeit befand, z.B. mit Hapdank und Roland Litzenburger, deren Bilder sich in seinen Arbeitszimmern fanden.Der Umgang mit diesen Männern inspirierte ihn vermutlich auch beim Bau der Schulkirche in Bad Godesberg, im Aloisius-Kolleg. 1968 wurde P. Lachmund Regionalpriester der Aktion 365, ein Zusammenschluss von Christen, die sich durch die Predigten von Johannes Leppich SJ hatten bewegen lassen, eine Laiengemeinschaft in ökumenischer Gesinnung und mit besonderer Leidenschaft für sozialpolitische Themen, insbesondere mit dem Schwerpunkt Dritte Welt zu bilden. Lachmund lebte in Darmstadt, Leppich und ich auch. Ich kann nicht sagen, dass Hans Georg in die Fußstapfen des großen Predigers P. Leppich getreten sei. Dazu waren sie sich zu unähnlich. Vielleicht hat er etwas bei ihm gelernt, die Art der Auslegung des Wortes Gottes in Fernseh- und Radioansprachen, mit denen er ja besonders in Berlin bekannt wurde, manchmal begleitet von Prälat Knaufes Stöhnen .Hans Georg wurde Regionalpriester für die Regionen Bayern und Baden Württemberg und genoss die Freundschaft der und die Auseinandersetzung mit den Teams in diesen schönen Landesteilen. Er war mit dem Auto viel unterwegs bis ihm ein befreundeter Arzt von uns schon 1974 riet, sich mit Rücksicht auf sein Herz etwas mehr Ruhe zu gönnen. Die Oberen fanden keinen ruhigeren Ort als Berlin, wo er Pfarrer von St. Canisius und Diözesanpräses von Kolping wurde. Er blieb der Aktion 365 in allen Jahrzehnten mit grosser Zuverlässigkeit treu, war im Leitungsteam und begleitete seinen Freund P. Wolfgang Trara bis zu dessen Tod 2001.Die beiden Freunde haben mit ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern u.a. zwei Anliegen verfolgt: die Ökumene. Dafür fanden sie das Wort: tun, was uns eint. Man könnte viel darüber berichten, was sie dabei öffentlich und privat bewirkt haben, leider auch viele schmerzliche Diskriminierungen erfuhren, besonders im katholischen Lager. Ein Ergebnis dieses Engagements sind die Gebetbücher, Jahreskalender und Meditationsbücher der Aktion 365. Ich habe P. L. einmal gefragt: und was macht ihr im Schaltjahr? Ich stellte diese Frage nie wieder. Der andere Akzent war die einfühlsame Art in die Nöte der der Menschen in der sogenannten dritten Welt. Wo immer der Guatemala Kaffee verkauft wird. Dahinter steckt die Aktion 365. Der Aktion 365 wurde großes Lob aus den verantwortlichen Kreisen in Lateinamerika gespendet, vor allem auch von den Verantwortlichen für Entwicklungshilfe in unserem Land. Alle in dieser Gemeinschaft engagierten sich im Sinn des heiligen Ignatius und seiner Exerzitien: Christ-Sein ist Dasein für andere Eine besondere Berufung erging an P. Lachmund in der Bestellung zum Gemeindepfarrer in St. Canisius . Er war dort 1975-1983. Man kann seine vielen Anregungen in dieser Zeit nur andeuten: Fernsehgottesdienste, Radiopredigten, Wortgottesdienste und unendlich viele Liturgien in der Gemeinde, mit evangelischen Kollegen und ausländischen Christen. Er gab vielen Menschen eine neue Heimat in der Kirche und blieb neugierig auf alles, was andere bewegte. Lachmund war ein guter Hirt, viele fanden durch ihn den Glauben oder kehrten zur Kirche zurück. Und er war dort, wo man ihn suchte: in der Kita, in den unendlich langen Gemeindesitzungen, in der Begleitung solcher Frauen, deren Kinder von den eigenen Vätern entführt worden waren.H.G.L. war immer da für Menschen in der Gemeinde. Man sah immer sein Licht brennen. Das gleiche kann man von seiner Tätigkeit in der Lokalie Maria Regina Martyrum sagen. Obwohl er gesundheitlich eingeschränkt war, war er auch hier der gute Hirt und blieb den Menschen in diesem Kiez eng verbunden. Die Schwestern und die Menschen in dieser Gemeinde machten ihm seine Behinderung leicht. Er war mit ihnen für andere da. H.G.L ist nun zu Gott heimgegangen. Wir danken, dass er da war und wie er für uns da war. In den letzten Jahren, vor allem im letzten Jahr musste er erleben, was es heißt, das Kreuz zu tragen, sein Kreuz zu tragen: Schlaganfälle und Herzoperation; gefesselt an den Rollstuhl, weithin blind, abhängig von Helferinnen und Helfern .Wir verdanken ihm viel. Er sagt auch Dank den vielen, die ihm nahe waren und blieben: den Menschen seiner schlesischen Verwandtschaft; den Ordensschwestern von Regina Martyrum, deR vielen Mitbrüdern im Orden, den Oberen, den Mitgliedern der Gemeinden und der Aktion 365, den Leitenden in der Diözesanführung, den evangelischen Freundinnen und Freunden. Er wird sich sicher auch entschuldigen für manche Ruppigkeit und Schärfe im Urteil. Ich kannte ihn gut und wusste um seine Empfindlichkeit, wenn es um Kritik oder Differenzen in der Beurteilung mancher Dinge ging. Warum auch nicht. Er war zu Lebzeiten kein Heiliger. Aber ein beseeligender Man Gottes. Ein guter Jesuit. Er hat in verschiedenen Leitungsfunktionen und in manchen Beratungsgremien des Ordens viel für unsere Gesellschaft Jesu getan. Mit zunehmenden Alter stellte er viele Fragen an Orden und Kirche. Antworten wurden einsilbiger .Nun wird ihm ein neues Licht geschenkt .Nun wird er aus einer anderen Perspektive auf sein und unser Leben schauen und in guter schlesischer Art bemerken: nun macht mal ohne mich. Aber bitte: vergesst mich nicht. Das können wir ihm versprechen.

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