Warum wir diese Kirche bauen

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Warum wir diese Kirche bauen

# Historische Texte

Warum wir diese Kirche bauen

Bei der feierlichen Grundsteinlegung der Kirche am 12. November 1960 hielt der Bischof von Berlin, Julius Kardinal Döpfner, folgende Predigt:

Grundsteinlegung ist immer Abschluss und Anfang zugleich. Wer den Grundstein setzen darf, hat Schweres hinter sich: die oft mühsamen Überlegungen und Verhandlungen um Platz, Plan und Finanzierung. Darum freuen wir uns heute von Herzen über die Grundsteinlegung der Kirche »Regina Martyrum«. Das Gelöbnis des Katholikentages 1958, den Blutzeugen der Jahre 1933-1945 ein Gotteshaus als Gedenkstätte zu bauen, geht nun der Erfüllung entgegen. Voll Dank grüßt der Bischof all jene, die mithalfen, dass wir diesen Anfang setzen konnten: die deutschen Diözesen und ihre Bischöfe, die uns durch eine Sammlung halfen; das Zentralkomitee der deutschen Katholiken und das Lokalkomitee des Berliner Katholikentages, ohne deren Mithilfe wir nicht hätten ans Werk gehen können; alle Spender von nah und fern; die Behörden, die uns sehr entgegenkommend unterstützten; die Architekten, die planten; meine Mitarbeiter, die viel unverdrossene Arbeit leisteten.

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Kardinal Döpfner schließt den Grundstein

Foto: Diözesanarchiv Berlin

Und doch, alles ist heute Anfang: an dieser unwirtlichen, für die jetzige Stunde vorübergehend gerichteten Baustelle. Wir haben die Pläne gesehen, die voll guter Verheißung sind. Nun warten wir gespannt auf ihre Ausführung. Wir wünschen den planenden Meistern, den mitwirkenden Künstlern, den verantwortlichen Bauleuten, den schaffenden Handwerkern ein gesegnetes, frohes, unfallfreies Bauen.

Im Anfang steht auch die Pfarrei »Regina Martyrum«. Der Seelsorger sammelt die Seinen in Räumen, die nur provisorisch sind. Möge die Gemeinde innerlich wachsen, zusammen mit dem äußeren Bau, damit sie den Tag der Kirchweihe als lebendige, beseelte Gemeinschaft begehe.

Steht nicht auch unsere Bistumsfamilie bei dieser Grundsteinlegung an einem Beginn! Während sich die Mauern erheben und die Räume schließen, müssen wir uns bereiten, dass die Gedächtniskirche »Regina Martyrum« verstanden, geliebt, ausstrahlend in der Mitte unseres Bistums stehe.

Drei Fragen möchte ich als Anstoß unserer Besinnung am Tag des Grundsteins aussprechen:

1. Warum pflegen wir das Gedächtnis dieser Blutzeugen?

In der Urkunde, die in den Grundstein eingefügt wurde, sind die Worte Pius’ XII. Über »Regina Martyrum« festgehalten, die er uns in der Botschaft zum 78. Deutschen Katholikentag schrieb. Hier ist das Entscheidende gesagt.  »An einer Stätte, wo in dunkler Zeit Todesurteile am laufenden Band vollstreckt wurden, plant ihr ein Heiligtum zu Ehren der Regina Martyrum und zum Gedächtnis jener aus euren Brüdern und Schwestern, Deutschen und Nicht-Deutschen, die damals ihr Einstehen für die Rechte Gottes und des guten Gewissens mit ihrem Blut besiegelt haben.« Sie standen ein für die Rechte Gottes und des guten Gewissens! Das war die Sendung, der sie sich verpflichtet wussten. Sie lebten in einem modernen, totalitären Staat, wo Gottes Recht nichts galt, die Partei und ihre Ideologie alles war, wo der Träger der Staatsgewalt sich mit pseudogöttlichem Glanz umgab und mit gleißender Demagogie Millionen betörte. Ein solcher Staat versucht ununterbrochen, dem Menschen eine Sinndeutung des Lebens aufzuzwingen, die ihn in Gegensatz zu Gott und seinem Gewissen bringt. Bis in die leiseste Regung des inneren Lebens hinein soll der Mensch der Diktatur und der äußeren Gewalt untertan gemacht werden. Der Mensch soll an Taten mitwirken und Taten gutheißen, die im Gegensatz zu Gottes Ordnung stehen. Dem haben sich unsere Blutzeugen widersetzt. Sie standen ein für Gottes Recht und die innere Freiheit des Gewissens. Sie waren dabei – an vielen Beispielen lässt sich das erhärten – nicht leichtfertig und unbesonnen, aber sie wichen um keinen Preis. Der Papst sagt: Sie besiegelten ihr Einstehen für die Rechte Gottes und des guten Gewissens mit ihrem Blut. So ist es in Wahrheit. Es gibt ergreifende Zeugnisse, dass sie ihren Tod ausdrücklich als Opfer für die furchtbare Not ihres Volkes und als Siegel auf das Zeugnis ihres Gewissens ansahen.

Nun aber wendet sich Pius XII. an uns: »Ihr aber wollt in dieser so sehr dem Materiellen verhafteten Zeit sie euch vor Augen halten als heldenmütige Bekenner der Tatsache, dass die sittlichen Werte, die Rechte Gottes und der wahre Glaube hoch über allem rein Irdischen stehen und euer unbedingtes Ja bis zur Hingabe des Lebens heischen.« Diese Kirche soll uns mahnen, dass wir die rechte Ordnung nicht vergessen. Wer die Gottesverehrung abschaffen will, bereitet dem Götzendienst den Weg. Für den einzelnen Menschen und auch für das ganze Volk ist es entscheidend, was an erster Stelle steht. Der moderne totalitäre Staat macht irdische Werte – den Staat selbst, die Partei, das Volk, das Kollektiv – zum Maßstab des ganzen Lebens. Damit aber wird die Ordnung der menschlichen Gemeinschaft zerstört, die Freiheit- des Menschen aufgehoben, sein Heil gefährdet. Die rechte Ordnung sichtbar zu machen und sie wiederherzustellen, dafür setzten sich jene Zeugen ein und dafür starben sie.

Auch wer nicht in einem totalitären Staat leben muss, vergesse vor diesen Zeugen nicht: alle sind wir bedroht von »dieser so sehr dem Materiellen verhafteten Zeit«. Wenn Erwerb, Produktion, Wohlleben, Eigensucht das Leben bestimmen, dann erheben sich im Land geheime Diktatoren, die unsere Herzen versklaven. Da ist unser unbedingtes Ja zu Gott und Seiner Ordnung aufgerufen. Wir sollen, wir dürfen Gott lieben aus ganzem Herzen, aus ganzer Seele und aus all unserem Denken und Sinnen (vgl. Mt. 22, 38-39).

Noch eines aber sagt uns der Papst: »Jene aber von euch, die selbst in Not und Gefahr sind, mögen aus ihrem Beispiel Trost und Kraft schöpfen, um durchhalten zu können.« Dieses Wort braucht keine Erläuterung. Wir wissen, was dahintersteht. Der ähnliche Kampf, die gleiche Not der Gegenwart bedürfen solcher Vorbilder der nahen Vergangenheit. Möge diese Kirche für die Bedrängten ein Heiligtum des Trostes und der Kraft werden, für uns alle aber eine Stätte fürbittenden Dienstes an den ringenden Brüdern.

2. Warum bauen wir eine Kirche?

Manchmal wird im Blick auf »Regina Martyrum« die Frage gestellt: Warum wird zum Gedächtnis an die Blutzeugen jener Jahre eine Kirche gebaut? Wir antworten: Weil wir mehr haben wollen als nur eine Gedächtnisstätte. In unserer Mitte soll die Quelle sprudeln, aus der unsere Brüder und Schwestern die Kraft zu ihrem Zeugnis schöpften. Der gekreuzigte Herr ist Ursprung und Kraftquell alles Martyriums und alles Bekenntnisses. Dem gekreuzigten und auferstandenen Christus wird hier der Altar errichtet. Hier wird eine Stätte geschaffen, an der das Gedächtnis Seines Leidens und Seines Todes in sakramentaler Mächtigkeit begangen wird. Wenn einst der ernste Feierraum mit seinen dunklen Mauern an die Leiden unserer Zeugen erinnern soll, dann wird entscheidend in der Mitte unter dem leuchtenden, schwebenden Schrein der Kirche der Altar Christi stehen.

Gewiss, in jenen Tagen der Not standen und litten nebeneinander der evangelische Edelmann und der katholische Arbeiterführer, der Pastor und der Jesuit. Doch sie kamen – vergessen wir das nicht – aus ihrem klar geprägten Glauben und fanden sich dann erst zusammen. So führt auch unsere Gedächtniskirche zuerst hinein in die Tiefe unseres katholischen Glaubens, aber dann will sie Christen aus ihrem heiligen Bereich entsenden, die im Kampf für Gott und das Gute Brüder und Gefährten suchen, woher sie auch kommen und wo immer sie ihnen begegnen mögen. Unsere Zeit bedarf wahrhaftig vieler guter Gemeinsamkeit in ihren schweren Kämpfen. Aber bedarf sie nicht ebensosehr der klaren Prägung, der nüchternen Unterscheidung!

3. Warum benennen wir diese Kirche nach der »Regina Martyrum«?

Weil uns Maria tief hineinführt in das rechte Verständnis des Martyriums aus Christus! Sie stand als Königin der Martyrer unter dem Kreuz des Herrn. Sie wollte als Magd des Herrn dem Knecht Gottes zur Seite stehen, sie durfte eingehen in die Hingabe des Sohnes an den Willen des Vaters. Das Schwert jenes Leidens, das Christus durchbohrte, drang auch in ihr Herz. Und dieses Herz antwortete mit liebender Hingabe: »Mir geschehe nach deinem Wort«. So ist Maria das Urbild der Kirche, die in Christi Passion eingehen muß, sie ist die Anführerin all der vielen, die den Weg des Kreuzes in der Nachfolge des Herrn gehen. Durch sie wird der König der Martyrer nicht verdrängt. In ihr und allen Martyrern der Jahrhunderte erscheint Christus inmitten Seiner Kirche im Glanz Seiner Heiligen.

So ist dieser Anfang gesetzt, dieser Grundstein gelegt im Namen des Vaters, der durch den Tod Seines Sohnes, unseres Herrn Jesus Christus, in der Liebesglut Seines Geistes den Seinen Kraft verleiht zu treuem Zeugnis! Wachsen wir hinein in den Sinn dieser Gedenkstätte, während der Bau voranschreitet!

Weil aber diese Kirche unser sein soll in aller nur denkbaren Fülle, wollen wir auch weiterhin im Opfern für »Regina Martyrum« nicht erlahmen. Das Werk ist – gottlob – im großen und ganzen gesichert, doch es wartet noch auf Spender und Helfer, dass alles – etwa die Altäre, die Bilder, die Plastiken, die Fenster, die heiligen Geräte – würdig vollendet werde. So helft denn mit von nah und fern – an der Fertigstellung des Heiligtums, das hier in Bistum und Stadt Berlin und darüber hinaus mahnendes Denkmal der Gewissenstreue und kraftgebende Gnadenstätte unseres gekreuzigten Erlösers sein soll!

So segne der Herr das begonnene Werk,  Er segne alle, die daran schaffen, Er segne uns alle und gebe uns Kraft zum Zeugnis für Christus und für das Heil unseres Volkes.

Aus: Preigt von Julius Kardinal Döpfner zur Grundsteinlegung am 12. November 1960. In: Gedächtniskirche der deutschen Katholiken Maria Regina Martyrum zu Ehren der Blutzeugen für Glaubens- und Gewissensfreiheit in den Jahren 1933-1945. Berlin: Morus, 1963, S. 39-41)

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Offene Kirche: Täglich 08-18 Uhr